Eine Reise durch Chen Tee’s Taiwan
Bei meiner
Beschäftigung mit Tee ergeben sich oft zwei Möglichkeiten. Es gibt ein Ziel,
eine Erkenntnis, die ich gewinnen will und ich beschäftige mich damit, strebe
darauf zu. Oder ich lasse es geschehen und beobachte, was sich ergibt. Nur muss
ich oft einen Anstoß geben und hoffe, dass etwas passiert. Meist geht das eine
ohne das andere nicht.
Nun also
fahre ich mit meiner Frau in die Stadt um ihr einen interessanten Teeort zu
zeigen. Ich selbst war schon mal dort und hatte erste Eindrücke gesammelt. Aber
ich mache mich frei davon, als ich die Tür mit einem Ruck öffne, gehe ich
hinein und schaue mich um.
Das ist kein
Teeladen im herkömmlichen Sinne hier. Keine lange Reihe von Dosen aus Blech,
gefüllt mit Tee jedweder Art. Einzelne Dinge sind angeordnet, es ist schwer zu
beschreiben, eher wie eine Ausstellung. In der Mitte ein riesiger Tisch, dessen
Geschichte mir später noch dargereicht wird. Wobei Geschichten hier aus jedem
Ding springen könnten. Und sich dann durch den gesamten Nachmittag ziehen
werden.
Ich gehe
einmal im Rund um Verschiedenes zu betrachten und ergebe mich dann doch diesem
Sog des massiven Tisches, lasse mich daran nieder und beobachte ab jetzt
einfach, was sich entwickelt.
Es wird eine
ganze Geschichte, bestehend aus einzelnen Geschichten, erzählt vom Herren
hinter dem Tisch und einem weiteren zufälligen Gast, der bescheiden und ruhig
an der Stirnseite sitzen wird, hochgelobt vom Gastgeber. Jahrzehnte
taiwanesischer Erfahrungen, die da zusammenfließen und uns teilhaben lassen an
einer Welt, die uns selbst unbekannt ist.
Es gibt Tee.
Ich bin bescheiden und setze meine Erfahrungen herab, weil ich um deren
Unvollständigkeit weiß. „Aboriginal Wulong“ Und ich fragte mich schon vorher,
was dieses „Aboriginal“ zu bedeuten hätte. Dieser Tee war eines der Ziele meiner
Reise, denn er war mir beim ersten Besuch damals hochgelobt angekündigt worden
aber nicht vorrätig.
Nun, diesmal
gerade frisch eingetroffen, wie für mich bereit. Doch oh Schreck! Eine der
Packungen scheint undicht zu sein und die Frage steht erschreckend laut im Raum:
Ist er noch gut oder hat er Feuchtigkeit gezogen? Wir werden da gleich mit
einbezogen, müssen ergründen, wie es um die „Gesundheit“ des Aboriginal zu
stehen scheint.
Für mich ein
sehr schöner Oolong klassischer Art, wie ich ihn mag, etwas zu stark gegossen
für meinen Geschmack, aber deshalb nicht unangenehm. Wir erkennen typische
Oolongaromen, etwas Osmantus, aber auch etwas Malziges. Wir probieren mehrerer
Aufgüsse und kommen zu dem Schluss, dass der Tee frisch ist und nichts ihm
geschadet hat.
Immer wenn
ich dem Aroma eines Tees noch nachhänge, wird mir ein kleines Holz mit einer
anderen Sorte Tee zugereicht, wird das Thema gewechselt, bekommen wir einen
breitgefächerten Eindruck von Vielfalt.
Jetzt wird
es „heller“, „grüner“. Es folgt ein „Abgesang“ auf eine Teeart, die es bedingt
durch klimatische Veränderungen, sprich Regen, in Zukunft schwer haben wird, so
wird mir erzählt.
Der „4
Seasons“, für mich ein leichter Frühstückstee, steht allgemein für
taiwanesische Hochlandoolongs, die irgendwie aromatisch, aber auch weich im
Hals sein sollen und trotz aller Wiedersprüche zum Thema Anbau und
Verarbeitung, eine treue Fangemeinde haben.
Dann wird
mir ein Tee zugereicht, der optisch absticht. Ich kannte japanische Stängeltees
schon vorher, wusste aber nicht, dass auch so stark oxidierte Varianten angeboten
werden. Überaschend starke Aromen, sowohl im Trockenen als auch im Aufguss,
etwas schokoladiges, für mich persönlich etwas Malzkaffee. Also sehr interessant,
aber eher für einen besonderen Tag und nicht so regelmäßig.
In der
Holzschale befand sich nun ein Tee, der etwas wie „Kraut und Rüben“ aussah und mir
trocken nach sehr wenig duftete. Aufgegossen wird es mir klar, dass der erdige Geruch
und Geschmack nur ein Puerh sein kann, der schon einige Jahre gelagert hat.
Angenehm ist, dass dieser Puerh nicht so aufdringlich, als im Sinne von muffig
erscheint, sondern in seiner Zurückhaltung angenehm klar und „trocken“
rüberkommt.
Da ich im
Nachhinein aus der Erinnerung schreibe, überlege ich gerade, wann wir nach Griechenland
abgebogen sind? Es gab einen griechischen Bergtee, „direkt von den Göttern des
Olymp gepflückt“, für mich so angenehm frisch und stark wie ich ihn noch nie
vorher erleben konnte. Viele kräutrige Aromen wie Anis und Fenchel, etwas Minziges
und sicherlich sehr ergiebig im Aufguss.
Mein
Verhältnis zu Tieguanyin ist etwas gespalten. Aber ich wurde neben den „grünen“
Varianten jetzt auch schon mehrmals von gut verarbeiteten, oft gelagerten TGY überrascht.
So auch von diesem bei „Chen Tee“ angebotenen. Der hat etwas hinter dem Aroma
der Lagerung, was bei Geduld ganz gut zu erkennen ist und mir sehr gut gefällt.
Zum
Abschluss gab es dann noch einen sehr dunkel oxidierten Oolong, der mich mit
seinem klaren Aroma hinzu Hongcha verwöhnte, also einen Abschluss sowohl meiner
körperlichen wie auch meiner geistigen Aufnahmefähigkeit bildete.
Schon fast
im Hinausgehen bekomme ich noch zwei kleine Päckchen zugereicht in denen sich,
wie ich später mit Freude feststellen kann zwei „namenlose“ Oolongs der grüneren
aber sehr interessanten Art verbergen, die wir inzwischen natürlich schon ausgiebig
verkostet und für sehr gut befunden haben.
Und so kann
ich sehr angenehm an diesen Teenachmittag, durchsetzt mit vielen Geschichten
rund um Tee und Taiwan, zurückdenken und, wenn ich jetzt im Nachhinein meine
dort erworbenen Tees genieße, diese Bilder wieder aufleben lassen. Bilder die
ich nicht durch Fotos belegen kann, da es mir immer unangenehm ist, solch runde
Teeereignisse durch Fotoapparat- und Notitzblockhantierungen zu unterbrechen.
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